Zerstört eine Dämmung den solaren Ertrag der ungedämmten Außenwand?

Man hört und liest es immer wieder, eine Dämmung der Außenwand soll dazu führen, dass ihr anschließend höhere Heizkosten habt als vorher. Warum? Weil euch nun, bedingt durch die Dämmung, der “solare Ertrag” an der Außenwand fehlt.
Aber was ist an dieser Behauptung wirklich dran? Gibt es den solaren Ertrag und welchen Einfluss hat dieser eigentlich auf die Energiebilanz eures Hauses?

In diesem Artikel gehen wir den kursierenden “Halbwahrheiten” einmal auf den Grund, rechnen uns den Ertrag einmal durch und schauen, wie “echte” passive Sonnenenergienutzung tatsächlich aussieht und funktioniert.

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Wärmestrom einer (ungedämmten) Außenwand

ungedämmte aussenwand

Wärmestrom durch eine ungedämmte Außenwand

Schauen wir uns zunächst die physikalischen Umstände an. Wir haben einen Raum der auf eine Temperatur von 20°C aufgeheizt wird. Die Außentemperatur beträgt in unserem Beispiel -5°C.

Nun sorgt die spezifische Wärmeleitfähigkeit der Wand dafür, dass sich ein konstanter Energiefluss (Wärmestrom) von Innen nach Außen ergibt. Dieser bewegt sich bei einer ungedämmten Wand im Bereich zwischen 1,2 W/m*K bis 2,0 W/m*K.

Wie man in der nebenstehenden Grafik erkennen kann, sorgt also die niedrige Außentemperatur für ein Abkühlen der Wand im Innenraum auf etwa 14°C.

Was passiert denn nun aber an einem sonnigen Wintertag? Die Sonne liefert doch eine ganze Menge Energie die unsere Wand – sofern sie Richtung Süden steht – erwärmt. Führt das nicht zu einer “Umkehr” des Wärmestroms?

Um das klären zu können, sollten wir einmal analysieren, wie viel Energie denn nun wirklich von der Sonne (im Winter) zu  uns auf die Erde und zu guter Letzt auf unsere Wand gelangt.

Was liefert uns die Sonne an Energie?

Es ist natürlich klar, dass uns die Sonne eine nicht unerhebliche Menge an (Strahlungs-)Energie zur Verfügung stellt. Im Sommer kommen hier in Deutschland durchaus Strahlungsleistungen von 1000W/m² zusammen.
Und im Winter? Na ja, da sieht es bereits ein wenig trüber aus. Im Winter reduziert sich die Einstrahlung auf Werte  zwischen 150 und 300 W/m² (an guten, sonnigen Tagen). An trüben, bewölkten Tagen sind es meistens eher Werte um 50 bis maximal 100W/m².

Diese Angaben beziehen sich natürlich jeweils auf einen “optimalen” Einfallwinkel. Hierzu müsste die Ausrichtung möglichst genau in Richtung “Süden” und der Winkel etwa 45 bis 55 Grad betragen.
Wie wir alle wissen, stehen Wände im Regelfall in einem Winkel von 90Grad – dadurch gehen uns bereits einige % an Energie “verloren”. Dazu kommt oft auch noch die Farbe der Wand. Eine weiße Wand würde rund 60% der Strahlungsenergie reflektieren.

sonne im winter

Die Sonne im Winter

Nehmen wir für unsere Beispielrechnung einmal relativ optimale Verhältnisse an.  Unsere unverschattete nach Süden ausgerichtete und dunkel angestrichene Wand bekommt über Tag etwa 800Wh/m² an Energie. Das entspricht etwa 4 Stunden Einstrahlung mit etwa 200W/m².

Dies ist, wie erwähnt, ein recht optimistisches Szenario welches höchstens eine Handvoll Tage pro Winter zutreffen wird. Es soll aber zeigen, wie wenig unsere Wand selbst unter solchen optimierten Umständen an Energie “gewinnen” kann.

Wie viel bringt uns der solare Ertrag?

sonne auf altes haus

Altes Haus im Sonnenuntergang

Wir berechnen den “Energiehaushalt” einmal anhand einer einfachen Kalksandsteinwand. Kalksandstein hat eine spezifische Wärmespeicherkapazität von 1000J/kg*K, eine Wärmeleitfähigkeit von etwa 0,7 bis 1,1 W/m*K und eine Rohdichte von rund 1,2 bis 2,2 kg/dm³.

Rechnen wir dies auf eine Wand so hat diese(überschlägig) in etwa ein Gewicht von 200kg pro m². Um diese Wand um 1K zu erwärmen, benötigen wir also rund 200kJ/m² oder anders ausgedrückt 55Wh/m².
Unsere Sonne liefert, wie oben beschrieben, etwa 200Wh/m² das bedeutet, die Wand könnte um etwa 4K pro Stunde erwärmt werden.

Dieser Wert ist natürlich rein theoretischer Natur denn die Außentemperatur von -5°C sorgt stetig für eine entsprechende Abkühlung. Es wird sich an der Oberfläche womöglich eine Art “Gleichgewicht” bei einer Temperaturerhöhung von 2-3°C gegenüber der Außenluft einstellen – aber nur, solange die Sonne mit der entsprechenden Intensität scheint.

Da sich die Temperatur dadurch an der Außenseite nur unwesentlich erhöht, findet also keine Umkehr des Wärmestroms von Außen nach Innen statt. Was passiert, ist ein temporäres “abbremsen” des Wärmestroms durch die minimal wärmen Steine an der Außenseite.

Studien zu diesen Vorgängen haben Folgendes ergeben:
Durch die Sonneneinstrahlung ist es möglich, an der ungedämmten Wand bis zu 25kWh/m² an Energie zu gewinnen, also auf der anderen Seite an Heizenergie einzusparen.
Das Problem ist jedoch, dass wir im selben Zeitraum an eben unserer ungedämmten Wand rund 115kWh/m² an Wärmeverlusten erleiden.

Das nächste Problem ist dann eher “geometrischer Natur” – denn die 25kWh/m² an solaren Gewinn können wir stets nur an einer von unseren 4 Wänden machen. Den Wärmeverlust erleiden wir allerdings an allen 4 Wänden.
Dieser hohe Wärmeverlust lässt sich nur durch eine Dämmung reduzieren. Je nach Dämmung sind hier Einsparungen von 60% bis 80% drin.

Und wie funktioniert “echte” passive Sonnenenergienutzung?

Selbstverständlich kann man durch den solaren Ertrag, besser gesagt die passive Sonnenenergienutzung, tatsächlich auch Heizenergie einsparen. Das funktioniert allerdings ein klein wenig anders:
Wie in der nebenstehenden Skizze dargestellt, nutzt man für die effektive Nutzung der Sonnenenergie möglichst große Fensterflächen. Durch diese scheint die Sonne und erhitzt anschließend im Innenraum Wand und Fußbodenflächen.
Die angestrahlten Elemente werden häufig aus Materialien mit einer möglichst hohen spezifischen Wärmespeicherkapazität gebaut. So können sie die Sonnenenergie über den Tag optimal aufnehmen, speichern und anschließend in den Abendstunden wieder an den Innenraum abgeben.

passive sonnenenergienutzung

Prinzip der passiven Sonnenenergienutzung

Das ist das Prinzip der passiven Sonnenenergienutzung wie es häufig auch in Passivhäusern oder Niedrigenergiehäusern zur Anwendung kommt. Ein wesentliches Element ist hierbei aber auch eine massive Dämmung der Außenwand – damit die gewonnene Wärme auch drin bleibt.

Und was sagen uns jetzt diese Erkenntnisse?

dämmstoffe übersicht styropordämmung

Dämmung einer Außenwand

Nehmen wir also die Aussage, die man sehr häufig hört oder liest: “Eine ungedämmte Wand sperrt die Sonne aus und verhindert solare Erträge” so ist diese tatsächlich korrekt. Durch die Dämmung der Wand verlieren wir praktisch die oben genannten Erträge von jährlich etwa 25kWh/m². Das Problem ist nun, dass diese Aussage oft zu der vollkommen falschen Annahme führt, man würde durch diesen “Verlust” nun mehr Heizenergie benötigen – Genau das ist nämlich Quatsch!
Durch die Dämmung begrenzen wir die Wärmeverluste der Außenwände von rund 115kWh/m² um bis zu 80% – und zwar nicht nur an der einen Wand, die nach Süden ausgerichtet ist, sondern an allen Außenwänden. Dieser Umstand führt zu einer massiven Energieeinsparung im Vergleich zum verlorenen solaren Gewinn.

Die Behauptungen, dass eine Dämmung der Außenwände zu einem Anstieg der Heizkosten führt, sind weder physikalisch noch durch Tests oder Studien zu belegen, es sind einfach nur Behauptungen.

Eine Dämmung reduziert den Wärmestrom und damit den Energieverlust einer Außenwand – das ist physikalischer Fakt.

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Letzte Aktualisierung: 11.05.2021

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